ZEITMESSUNG IN ANTIKE UND MITTELALTER - TEIL 3
Die Faszination, die von der gleichförmigen Bewegung des Werks ausging, die
Symbolik, die ein wohlgeordnetes Weitergeben der Antriebskraft für die
Menschen des Mittelalters besaß, machen es verständlich, daß manchmal Engel
oder die Figur der Temperantia, die Verkörperung des Maßhaltens, vom Himmel
her diese Räderuhren regulieren. Seit dem frühen 15. Jahrhundert werden
kleinere gewichtsgetriebene Uhren in Innenräumen auf Konsolen, manchmal aber
auch in einer blühenden und fruchtbaren Landschaft gezeigt. Diese späteren
Abbildungen geben wohl meist zeitgenössische Uhren wieder, der symbolische
Sinn der ineinandergreifenden Räder scheint nicht mehr so klar und
einsichtig. ,
Ein in der Staats- und Stadtbibliothek Augsburg aufbewahrtes lateinisches
Manuskript, das erst 1971 wissenschaftlich publiziert worden ist, vermittelt
einen überblick über die nach der Mitte des 15 . Jahrhunderts gebauten
kleineren Räderuhren. Ein deutscher Mönch, Paulus Almanus, beschreibt darin
die von ihm - wohl nicht immer ganz fachkundig - in den Jahren 147 5 bis 14
8 5 in Rom reparierten Uhren. Von den 3o beschriebenen und in knappen
technischen Zeichnungen festgehaltenen Uhren besitzen 23 Gewichts- und 7
Federantrieb. Fast alle haben
die meisten auch noch Kalenderangaben ein Schlagwerk, und die Anzeige des
Mondstandes. Sogar eine Uhr mit Spielwerk wird erwähnt. Die federgetriebenen
Werke sind offensichtlich nicht in Italien entstanden, denn ihre
Zifferblätter und Zeigergetriebe sind erst nachträglich der italienischen
Stundeneinteilung angepaßt worden, die die Stunden von 1 bis 24 zählte.
Die meisten größeren Räderuhren wurden angetrieben von schweren Gewichten,
die an starken Seilen hingen und dadurch das erste Rad des Werks in Bewegung
setzten, das dann den Lauf der anderen Räder auslöste. Als Gangregler wird
die Waag benutzt, ein nach seiner Ähnlichkeit mit einer Waage benannter
Schwingbalken, der an einem Faden aufgehängt ist. An der senkrecht zu dem
Balken angebrachten Welle befinden sich zwei lappenartige Verbreiterungen,
die in die Zähne des Hemmungsrades eingreifen und dadurch dessen Bewegung
abwechselnd hemmen oder freigeben. Diese älteste Form der Hemmung, die
Spindelhemmung, sicherte zusammen mit der Waag als Gangregler einen
allerdings nicht immer gleichmäßigen Lauf des Werks, ihre Erfindung ist aber
die eigentliche Voraussetzung für den Bau der Räderuhren. Schon sehr bald
wird statt der Waag auch ein radförmiger Gangregler benutzt, die Radunrast,
die im Jahre 1385 einmal unliebenswürdig das »frouwen gemuete« genannt wird.
Auch die Verwendung des Federantriebs wohl schon in der ersten Hälfte des
15. Jahrhunderts gehörte zu den Voraussetzungen für die Anfertigung
tragbarer Uhren. Längere geschmiedete Stahlbänder wurden in trommelförmigen
Federhäusern aus Eisen mit einer Kurbel aufgewunden. Ihre gespeicherte Kraft
setzt die Räder des Werks in Bewegung; um ihre Wirkung möglichst gleichmäßig
zu halten, wurde von einem unbekannten Handwerker die Konstruktion der
Schnecke mit einer Darmsaite entwickelt, die zwischen Federhaus und
Räderwerk eingebaut wurde.
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Die ältesten erhaltenen Räderuhren stammen aus
der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts - so die gewichtsgetriebene Türmeruhr
von St. Sebaldus in Nürnberg und die federgetriebene Uhr Philipps des Guten
von Burgund aus den Jahren um 1430. Arbeiten des frühen 16.Jahrhunderts sind
häufiger und werden auch heute noch gelegentlich im Handel angeboten.
Die Werke dieser frühen Uhren bestehen gänzlich aus Eisen, die Werkgestelle
werden von vier an den Ecken stehenden diagonal gesetzten Pfeilern begrenzt
und getragen. Die Zifferblätter bestehen aus bemaltem Eisenblech.
Gelegentlich wurden die Ziffern auch durch Aussparungen im Blech markiert.
Meist haben sie einen feststehenden Zeiger, hinter dem die Scheibe mit den
Ziffern sich dreht. Einfache Automaten, Köpfe, die bei dem Schlag des
Hammers den Mund öffnen und wieder schließen oder die Zunge herausstrecken,
wurden oft von den Schlagwerken angetrieben. Gehäuse scheinen anfangs
seltener angebracht worden zu sein.
Die Genauigkeit der ersten Räderuhren war niemals besonders groß. In den
nach 13 8o entstandenen » Canterbury Tales« schreibt Chaucer von einem Hahn,
der jeden Morgen zur gleichen Stunde die Schläfer geweckt hat.
»Full sickerer was his crowing in his loge
As is a clock, or any abbey orloge«.
»Viel zuverlässiger war sein Krähen
Als alle Uhren, die in Kirchen stehen«.
Und noch im 15. Jahrhundert erbost sich in Paris ein ehrbarer
Handwerksmeister über seinen Gesellen: »Um neun Uhr behauptet er, es sei
drei Uhr, und um drei Uhr, es sei Nacht, und macht sich davon, so schnell er
kann«. Die mit der Hand oft nicht ganz genau gearbeiteten Zahnräder, die
durch die schweren Gewichte rasch abgenutzt wurden, und die immer wieder
auftretenden Unregelmäßigkeiten der Hemmung ließen nur selten zwei Uhren
gleich gehen. Die bekannte Klage Senecas, eher stimmten einmal die
Philosophen überein als die Uhren, wird von den vielen Astronomen der
Renaissance, die Räderuhren für die Beobachtung der Sternbewegungen
benutzten, wiederholt. Zwar waren die Ursachen der Unzuverlässigkeit schon
in den Jahren um I 5oo klar erkannt, die störenden Einwirkungen der
Temperatur und das durch die weitere Abwicklung der Schnur entstandene
größere Gewicht des Antriebs werden oft beobachtet, sie waren aber vor der
Einführung des Pendels unvermeidbar. Darum werden noch jahrhunderte lang
Sonnen- und Sanduhren für die Regulierung benutzt, denn nur die »stille Uhr
des Himmels« blieb immer gleich zuverlässig.
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