Zeitrechnung
Die Zeitrechnung in den frühen
Hochkulturen des Zweistromlandes
Unterhalb der schriftkundigen Führungsschichten stand
durch die Jahrtausende aller Hochkulturen des Zweistromlandes
die übergroße Mehrheit des Volkes, die ohne Kenntnis
der Schrift lebte und über keinerlei Kontakte zu jener Führungsschicht
verfügte, die über die zuschauende Teilnahme an
heiligen Handlungen hinausgegangen wären. Für die Zwecke
dieser Bevölkerungsgruppen reichte zunächst ein wesentlich
primitiverer Kalender aus, womöglich der schlichte Mondkalender
oder das eher undeutlich bezeugte Finanzjahr, das mit
der Ernte der Gerste beginnt und damit unter Umständen ungleich
lang ist.
Um 380 v. Chr., also schon unter persischer Herrschaft,
wurde schließlich ein 19 jähriger Zyklus von Mondjahren festgelegt,
die durch Einschaltung je eines Schaltmonates in den
Jahren 3, 6, 8, 11, 14, 17 und 19 des Zyklus annähernd auf
die Länge von 19 Sonnenjahren gestreckt wurden. Es handelte
sich im Kern um die Übernahme eines Zyklus, den der griechische
Astronom Meton von Athen ein halbes Jahrhundert
vorher entwickelt hatte (siehe S. 30). Damit gelang es gleichzeitig,
den Jahresanfang am ersten Tag des Monats Nisan nur
noch in einem Zeitraum von 27 Tagen um die Frühlingssonnenwende
schwanken zu lassen.
Die Jahreszählung der Kulturen des Zweistromlandes beruhte
zunächst wohl auf der Bezeichnung einzelner Jahre nach
Amtsträgern, wie dies in den Eponymenlisten des frühen Assyrien
belegt ist. Einen zweiten Schritt der Entwicklung stellte
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