ZEITMESSUNG IN ANTIKE UND MITTELALTER - TEIL 2
Neben den schlichten Auslauf- und Einlaufuhren kannte man mindestens seit
dem 4. vorchristlichen Jahrhundert ausgeklügelte, durch den Wasserdruck
angetriebene Automaten, bei denen sich Figuren bewegten, tranken und
tanzten. Manche dieser mechanischen Werke gaben auch die Zeit durch
Gongschläge an. Von dem im 3. Jahrhundert v. Chr. in Alexandria lebenden
griechischen Mathematiker und Ingenieur Ktesibios berichtet Vitruv, er habe
»Wasserdruckwerke und Automaten und viele Arten ergötzlicher Dinge, darunter
auch Wasseruhren« gebaut. Das einströmende Wasser hob »einen Schwimmer, auf
dem eine Stange angebracht war ... , ebenso rufen andere Stangen, die in der
gleichen Weise gezähnt sind und durch einen einzigen Antrieb getrieben
werden ... verschiedene Wirkungen hervor, durch die kleine Figuren in
Bewegung, Kegelsäulen in Drehung versetzt werden und Blasinstrumente
erklingen. Die Stunden werden auf einer Säule oder einem Pfeiler angegeben',
eine Figur, die von unten aufsteigt, zeigt sie den ganzen Tag über an«.
Wasseruhren waren in der gesamten hellenistischen und römischen Welt
verbreitet. Im 6. nachchristlichen Jahrhundert rühmt Cassiodor, der Kanzler
Theoderichs, eine
Wasseruhr, weil sie auch in der Nacht die Stunden anzeigt; »dann vollbringt
auf wunderbare Weise das Wasser auf Erden, was sonst die feurige Kraft der
Sonne am Himmel wechselnd vollendet«. Wegen der in der Antike ungleich
langen Stunden, - die Zeit vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang
wurde in zwölf Stunden geteilt, ebenso zählte die Nacht immer zwölf Stunden,
- mußten die Zifferblätter mehrmals im Jahr ausgewechselt werden, um die
jeweilige Stundenlänge wenigstens annähernd richtig angeben zu können.
Byzantinische Gelehrte und Kunsthandwerker vermittelten den Arabern die
Kenntnis solcher Uhren und Automaten. Im Jahr 807 erhielt Karl der Große aus
Bagdad »ein höchst kunstvoll aus Messing gearbeitetes Uhrwerk«, das in den
Reichsannalen ausführlich beschrieben wird. »Der Lauf der zwölf Stunden
bewegte sich nach einer Wasseruhr mit ebenso vielen ehernen Kügelchen, die
nach Ablauf der Stunden herunterfielen und dadurch ein darunterliegendes
Becken erklingen ließen, ferner waren darin zwölf Reiter, die am Ende der
Stunden aus zwölf Fenstern herauskamen und durch ihre Bewegung ebensoviele
zuvor offenstehende Fenster schlossen.«
Weniger kostbare und aufwendige Wasseruhren werden in den mittelalterlichen
Quellen häufiger erwähnt. In den Klöstern gehörte es zu den Pflichten des
Sakristans, sie ständig nachzufüllen, damit man die Stunden des Gebets genau
einhalten konnte. Um die Vervollkommnung von wassergetriebenen Uhren
bemühten sich Gelehrte und Mechaniker noch im 18.Jahrhundert. Jean und
Daniel Bernoulli(i667-I748/1700-I782)erhieltenimjahreI720 von der Pariser
Akademie einen Preis von 2coo Franken für eine von ihnen entwickelte
Verbesserung der Wasseruhr.
Der jüngste der einfachen Zeitmesser, die Sanduhr, ist wohl erst im 15 .
Jahrhundert entstanden. Zwei meist birnenförmige kleine Glasgefäße stehen
mit ihren engen Mündungen gegeneinander. Die Einschnürung dient geradezu als
Hemmung, weil sie ein schnelles Durchlaufen des Sandes verhindert. An einer
Skala kann die Zeit nach der Menge des eingelaufenen Sandes abgelesen
werden. Die Entwicklung solcher Zeitmesser war erst möglich, als man gelernt
hatte, durchsichtiges Glas herzustellen. Nürnberg und bald darauf auch
Venedig wurden Zentren dieses Kunsthandwerks. Selbst Künstler wie der
jüngere Holbein entwarfen Gehäuse für Sanduhren, die oftmals auch mit
kleinen Sonnenuhren verbunden wurden. In dem Ständebuch von Jost Amman aus
dem Jahre 1568 beschreibt der Sanduhrmacher die Schönheit der von ihm
hergestellten Instrumente:
»Ferb die gheuss Grün, Graw, rot und blau
Drinn man die Stund und Vierteil hab«.
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In Zedlers »Großem vollständigem Universallexikon aller Wissenschaften und
Künste« heißt es in der Mitte des 18.Jahrhunderts: »Letztlich finden sich
auch die so genannten Sanduhren, die in Nürnberg sehr häufig gemacht
werden, entweder von vier, zwei oder einfachen gedoppelten Gläsern, mit
roten oder weissen Sande angefüllt, und so wohl nach der Grösse der Gläser,
als dem Sande, und dem Gehäuse merklich unterschieden sind. Die Grösse
belangend findet man einige kaum eines Fingers lang, die jedoch eine ganze
Stunde laufen. Einige sind wohl einer halben Ellen hoch, die man erst nach
etlichen Stunden umwenden darf. Die Gehäuse zu solchen Uhren sind von Holz
oder Messing, auch wohl von Silber. « Sanduhren maßen - wie die Wasseruhren
in der Antike - den Rednern im Parlament und vor Gerichten ihrer Zeit zu, im
Barock standen sie auf vielen Kanzeln, weil, wie ein französischer Moralist
1788 schreibt »zwanzig, fünfundzwanzig oder höchstens dreißig Minuten das
rechte Maß einer Predigt sind«. Ärzte benutzten sie, um den Puls zu messen,
in den Küchen fehlten sie niemals. Die Sanduhr, die im späten 15 . und im
16. Jahrhundert wohl in jedem Haus zu finden war, ist schon im späten
Mittelalter - anders als die Räderuhr - zu dem eindrücklichsten Symbol der
Vergänglichkeit geworden. Sänftenträger hatten eine Sanduhr am Gürtel, deren
Stand ihren Lohn bestimmte. In Nürnberg war noch in den ersten Jahren des 19.
Jahrhunderts ein selbständiger Sanduhrmacher tätig.
Aber nicht nur der Stand der Sonne oder Fluß des Wassers oder des Sandes
legte die Stunden fest, auch das Feuer maß die Zeit. Im Mittelalter und wohl
auch schon in der Antike wurde die Zeit während der Nacht in cereo, nach dem
verbrannten Wachs einer Kerze bestimmt. Metallkügelchen wurden in
regelmäßigen Abständen in die Kerze gedrückt, beim Niederbrennen fielen sie
dann in ein Metallbecken und zeigten so die Stunden an. Daß solche
Zeitmesser noch im 18. Jahrhundert gebraucht wurden, aber doch als selten
und merkwürdig galten, zeigt eine von Boswell überlieferte Geschichte einer
Verwandten des berühmten Dr. Johnson. »Sie hatte es so eingerichtet, daß das
Wachslicht im Zimmer zu einer bestimmten Zeit einen Bindfaden entzwei brannte,
an dem ein schweres Gewicht befestigt war, das dann plötzlich zu Boden fiel,
dadurch wurde sie aus dem Schlaf aufgeschreckt, worauf sie dann keine Mühe
mehr hatte, wach zu bleiben und aufzustehen. « Bis in das späte ig.
Jahrhundert bleiben Feueruhren, bei denen Fäden, schmale Tücher, Kerne und
andere gleichmäßig abbrennende Stoffe in Brand gesetzt wurden, in China und
Japan gebräuchlich.
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